München/Buenos Aires, den 19. Juli 2019
Katastrophenpharmazie für Einsteiger und Fortgeschrittene
Die Dosierung von Albendazol bei einem zehn Monate alten, untergewichtigen Säugling wird nicht in Frage gestellt? Die Zusammenstellung eines Mischinsulins geht leicht von der Hand, wenn die fixe Kombination nicht vorhanden ist? Die Antwort, ob man Methyldopa Schwangeren verabreichen darf, kommt wie aus der Pistole geschossen? Gratulation! Das setzt eine gute Vorbereitung für den Not- und Katastropheneinsatz voraus.
Albendazol, in der Feldapotheke frei zusammengesetzte Mischinsuline und Methyldopa sind nur einige der knapp 70 Arzneimittel, die in der internationalen Katastrophenhilfe verschrieben und an die Patienten ausgegeben werden. Die WHO hat ein spezielles Medikamentenpaket zusammengestellt, das sogenannte Interagency Emergency Health Kit (IEHK), das internationale Hilfsorganisationen im Gepäck haben, wenn sie in den Noteinsatz gehen. Viele der darin enthaltenen Wirkstoffe werden in westlichen Ländern jedoch selten eingesetzt und sind somit den Gesundheits-teams nur wenig geläufig. Viele Fragen kommen auf: Welches Lösungsmittel ist als Ersatz geeignet, wenn Epinephrin verdünnt werden muss, aber die dafür übliche Kochsalzlösung nicht im IEHK enthalten ist? Was gibt man bei Hakenwürmern? Wie behandelt man Krätze bei einem Baby?
> Zudem wurde das IEHK gerade wieder von der WHO überarbeitet. Inzwischen habe alle großen IEHK-Anbieter (u.a. IMRES, IDA und action medeor) die neuen Präparate in ihr Programm aufgenommen.
Um die Wartezeit für die betroffenen Patienten zu verkürzen und, um die Arbeit der Apotheker, PTA, Krankenschwestern und Ärzte zu erleichtern, hat die Pharmazeutin Dr. Carina Vetye das Manual für das IEHK 2017 geschrieben. In diesem Handbuch ist eine umfangreiche Liste der häufigsten Indikationen/Diagnosen und Krankheiten im Katastrophenfall und die dazu passenden Arzneimittel, alphabetisch gelistet nach Wirkstoffen, zu finden. Auf nur einer Seite – übersichtlich zusammengefasst – befinden sich alle Angaben zu Darreichungsform und Stärke, Therapie und Dauer, klare Dosierungsangaben für Säuglinge/Kinder und Erwachsene/Senioren, Behandlungs-möglichkeiten für Schwangere/Stillende, Einnahmeart, Gegenanzeigen, Wechselwirkungen, Nebenwirkungen, Maßnahmen bei Überdosierung, Lagerungshinweise und nützliche Tipps für Katastrophensituationen.
Was Pharmazeuten besonders interessieren dürfte: Auch die Menge jedes einzelnen Medikaments und wo es im IEHK zu finden ist, wurde vermerkt – ein nicht zu unterschätzender Vorteil, wenn man mit mindestens einer Tonne Arzneimittel, verpackt in mindestens 26-30 Kisten, unterwegs ist. „Man hat schon genügend Stress in dieser Situation durch die große Anzahl der Patienten, die versorgt werden müssen und durch die fremde Sprache; deshalb muss man in Sekundenschnelle finden können, welches Medikament für eine bestimmte Indikation vorhanden ist und wie es eingesetzt wird,“ unterstreicht Carina Vetye.
Die Autorin ist eine erfahrene Apothekerin, die seit Jahren Gesundheitsteams für den Katastrophen-einsatz schult und selbst eine Apotheke im Slum von Buenos Aires in Argentinien leitet.
Für ihren Einsatz für die Kranken wurde sie 2018 mit dem mit 100.000 Euro dotierten „Else Kröner-Fresenius Preis für medizinisch-pharmazeutische Entwicklungszusammenarbeit“ ausgezeichnet.
